24. Mai 2017
	
	
	
	
	
	Magdeburg - Menschen mit einem Hirnaneurysma, einer kleinen Aussackung in einer Hirnarterie,  die jeder Zeit platzen und eine lebensgefährliche Blutung auslösen kann, mussten  sich früher einer Hirnoperation unterziehen. Heute erfolgt die Behandlung in  vielen Fällen mit einem Katheter, der von der Leiste bis ins Gehirn vorgeschoben  und worüber das Aneurysma abgedichtet wird. Neueste Entwicklungen wurden auf der  Pressekonferenz im Rahmen der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für  Neurochirurgie (DGNC) am 16. Mai in Magdeburg vorgestellt.
	
	Bis zu fünf Prozent aller Menschen in Deutschland haben ein oder mehrere  Hirnaneurysmen. Die Fehlbildung wird meist zufällig entdeckt, wenn aus anderen  Gründen die Blutgefäße des Gehirns untersucht werden. Da Hirnaneurysmen eine  häufige Ursache für oft tödliche Hirnblutungen sind, raten die Ärzte in vielen  Fällen zu einer vorsorglichen Behandlung. Während bis in die 1990er Jahre hierzu  noch eine offene Operation notwendig war, wird heute immer mehr endovaskulär  behandelt. Bei dieser Behandlungsmethode handelt es sich um ein  Katheterverfahren, bei dem Platinspiralen („Coils“) im Aneurysma platziert  werden.
 
„Die endovaskuläre Behandlung ist der operativen bei der Behandlung von  Aneurysmen aber nicht unbedingt vorzuziehen“, erklärt Professor Dr. med. Volker  Seifert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am  Universitätsklinikum Frankfurt. „Betrachtet man Langzeitergebnisse, so wird  deutlich, dass sie zu identischen Resultaten führen.“ Patienten mit einem  geplatzten Aneurysma sollten deshalb in einem Hirngefäßzentrum behandelt werden,  in dem beide Behandlungsformen durchgeführt werden – und zwar 24 Stunden am Tag  und 365 Tage im Jahr. „Die letztendliche Entscheidung über die Art der  Behandlung sollte von hocherfahrenen und kompetenten Neurochirurgen und  Neuroradiologen gemeinsam in Abhängigkeit von Art und Lage des Aneurysmas und  den speziellen klinischen Gesichtspunkten des individuellen Patienten getroffen  werden,“ ergänzt Seifert. 
Auf dem Gebiet der endovaskulären Eingriffe gab es in jüngster Zeit einen  erheblichen Zuwachs an neuen technischen Möglichkeiten. „Mit der Entwicklung der  Flow Diverter (zu Deutsch Flussumlenker) ist es jetzt erstmals möglich,  Hirnaneurysmen, die zu groß oder von der Form her ungeeignet sind, um sie mit  Coils zu verschließen, sowie spindelförmige Aneurysmen, die nicht klar von der  Arterie abgegrenzt werden können, zu behandeln“, berichtet Professor Dr. Martin  Skalej, Direktor des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum  Magdeburg. Dabei handelt es sich um kleine Maschendrahtröhrchen, auch Stents  genannt, die im Blutgefäß so platziert werden, dass sie das Blut am Aneurysma  vorbeileiten. „Flow Diverter sind Ingenieur-technische Meisterleistungen“, so  Skalej. Die kleinen Stents müssten zum einen eine hohe Maschendichte aufweisen,  um das Blut zu lenken, zum anderen dürfen sie den Blutfluss in die Umgebung  nicht vollständig blockieren. Sie würden sonst die Blutversorgung von kleineren  Gefäßen behindern, die in der Nähe des Hirnaneurysmas aus dem Hauptgefäß  abgehen, erläutert Skalej „Dies könnte im ungünstigsten Fall einen Schlaganfall  auslösen.“
„Die moderne ‚minimal-invasive‘ Behandlung wäre nicht ohne Fortschritte in der  Bildgebung möglich gewesen“, betont Professor Dr. Raimund Firsching,  Kongresspräsident der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für  Neurochirurgie (DGNC). Coils und Flow Diverter werden über einen Katheter von  der Leistenarterie bis in die Hirnarterien vorgeschoben. Ihr Ziel finden die  Ärzte mithilfe der Angiografie, die die Blutgefäße und die Aneurysmen nach  Einspritzen von Kontrastmittel sichtbar macht. Für die Platzierung der Flow  Diverter benutzen die Neuroradiologen die digitale Subtraktionsangiografie.  Dabei werden zwei Aufnahmen vor und nach Einspritzen des Kontrastmittels  angefertigt und voneinander subtrahiert.
Nach der digitalen „Substraktion" sehen die Ärzte nur noch die Blutgefäße,  während Knochen und andere störende Strukturen verschwunden sind. „Die Geräte  liefern dreidimensionale Aufnahmen von Gefäßen und Implantaten in hoher  Qualität, sodass wir jederzeit die volle räumliche Orientierung über das zu  behandelnde Gefäß und die Instrumente haben“, sagt Skalej „Nur dank dieser  Technik können wir die minimal-invasiven Eingriffe für den Patienten sicher  durchführen“, betont der Neuroradiologe.
	
	
	Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC)