Themenkreis * Ingwer aktiviert weiße Blutkörperchen 

Kat.: Politik/Chronik

 

14. Feb. 2023

Ingwer aktiviert weiße Blutkörperchen

Scharfstoff aus Ingwer versetzt Immunzellen in erhöhte Alarmbereitschaft

München - Ingwer steht in dem Ruf, das Immunsystem zu stimulieren. Neue Ergebnisse des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) unterstützen nun diese These. So versetzten im Laborversuch geringe Mengen eines Ingwerscharfstoffs weiße Blutkörperchen in erhöhte Alarmbereitschaft. Wie die Studie zudem zeigt, ist an diesem Prozess ein Rezeptortyp beteiligt, der für die Wahrnehmung von schmerzhaften Hitzereizen sowie das Schärfeempfinden von Speisen eine Rolle spielt.

Ob als Heilpflanze oder Lebensmittel, Ingwer erfreut sich auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. So hat sich laut statistischem Bundesamt mit ca. 31.600 Tonnen die jährliche Einfuhrmenge der fruchtig-scharfen Knolle innerhalb der letzten zehn Jahre fast vervierfacht. Doch auch wenn der Ingwerkonsum gestiegen ist, stellt sich die Frage, ob übliche Verzehrmengen ausreichen, um gesundheitliche Effekte zu erzielen. Und wenn ja, welche Inhaltsstoffe und molekulare Mechanismen hierbei eine Rolle spielen.

Ingwerscharfstoff gelangt ins Blut

Um zur Klärung der Fragen beizutragen, führte ein Team um Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts, umfangreiche Untersuchungen durch. Ausgangspunkt bildeten dabei die Ergebnisse einer früheren Pilotstudie, an der auch Erstautorin Gaby Andersen vom Leibniz-LSB@TUM maßgeblich beteiligt war. Wie die Studie zeigt, gelangen ca. 30 bis 60 Minuten nach dem Konsum von einem Liter Ingwertee signifikante Mengen von Ingwerscharfstoffen ins Blut. Die mit Abstand höchsten Werte erzielte dabei der Scharfstoff [6]-Gingerol mit einer Plasmakonzentration von ca. 7 bis 17 Mikrogramm pro Liter.

Von dem Scharfstoff ist bekannt, dass er seine „geschmackliche“ Wirkung über den sogenannten TRPV1-Rezeptor entfaltet. Bei letzterem handelt es sich um einen Ionenkanal, der auf der Oberfläche von Nervenzellen sitzt und auf Hitze- und Schmerzreize sowie auf Scharfstoffe aus Chili und Ingwer reagiert. Ebenso lassen einige Studien annehmen, dass auch weiße Blutkörperchen über den Rezeptor verfügen. Daher prüfte das Forschungsteam, ob [6]-Gingerol im Zusammenspiel mit dem Rezeptor die Aktivität solcher Immunzellen beeinflusst.

Scharfstoff aktiviert weiße Blutkörperchen

In einem ersten Schritt gelang es dem Team, den Rezeptor in neutrophilen Granulozyten nachzuweisen. Die Zellen machen etwa zwei Drittel der weißen Blutkörperchen aus und dienen dazu, eindringende Bakterien abzuwehren. Weitere Laborversuche der Forschungsgruppe ergaben zudem, dass bereits eine sehr geringe Konzentration von knapp 15 Mikrogramm [6]-Gingerol pro Liter Nährmedium ausreicht, um die Zellen in eine erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. So reagierten die stimulierten Zellen im Vergleich zu Kontrollzellen um etwa 30 Prozent stärker auf ein Peptid, das eine bakterielle Infektion simuliert. Die Zugabe eines TRPV1-Rezeptor-spezifischen Hemmstoffs hob die durch [6]-Gingerol induzierte Wirkung wieder auf.

„Somit reichen zumindest im Versuch sehr geringe [6]-Gingerol-Konzentrationen aus, um über den TRPV1-Rezeptor die Aktivität von Immunzellen zu beeinflussen. Im Blut ließen sich solche Konzentrationen theoretisch durch den Konsum von gut einem Liter Ingwertee erzielen“, sagt Gaby Andersen. „Damit stützen unsere Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum üblicher Ingwermengen ausreichen kann, zelluläre Antworten des Immunsystems zu modulieren. Dennoch sind noch viele Fragen auf molekularer, epidemiologischer und medizinischer Ebene offen, die es gilt, mithilfe einer modernen Lebensmittel- und Gesundheitsforschung zu klären“, schließt Veronika Somoza.

Publikation: Andersen, G., Kahlenberg, K., Krautwurst, D., and Somoza, V. (2022). [6]-Gingerol Facilitates CXCL8 Secretion and ROS Production in Primary Human Neutrophils by Targeting the TRPV1 Channel. Mol Nutr Food Res, e2200434. 10.1002/mnfr.202200434.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/mnfr.202200434

Hintergrundinformationen:

Publikation zur Pilotstudie: Schoenknecht, C., Andersen, G., Schmidts, I., and Schieberle, P. (2016). Quantitation of Gingerols in Human Plasma by Newly Developed Stable Isotope Dilution Assays and Assessment of Their Immunomodulatory Potential. J Agric Food Chem 64, 2269-2279. 10.1021/acs.jafc.6b00030. https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.6b00030

Im Rahmen der Pilotstudie tranken Testpersonen einen Liter Ingwertee innerhalb von 20 Minuten auf nüchternen Magen. Der Tee war wie folgt zubereitet worden: 100 g einer frischen chinesischen Ingwerknolle wurden geschält und zerkleinert, mit einem Liter kochendem Wasser überbrüht und 15 Minuten ziehen gelassen. Anschließend wurde der Aufguss gefiltert, um unlösliche Bestandteile zu entfernen. Die Forschungsgruppe ermittelte die höchsten durchschnittlichen Plasmakonzentrationen für die Scharfstoffe [6]-, [8]- und [10]-Gingerol (42,0; 5,3 bzw. 4,8 nmol pro Liter) ca. 30 bis 60 Minuten nachdem die Testpersonen den Ingwertee getrunken hatten.

TRPV1 steht für: Transient receptor potential cation channel subfamily V (for vanilloid), subtype 1

Link zu den Angaben des statistischen Bundesamtes (Destatis): https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_02…

Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

Quelle und Copyright: DeutscheGesundheitsPortal

Deutsches Gesundheitsportal

 

1 .... 3    4    5    6
Wien - 20. August 2019
 

Liegt der Ursprung des Lebens in der Tiefsee?

Industrielle Interessen bedrohen hydrothermale Tiefseequellen, die eine wichtige Rolle spielen könnten

Wien - 04. Dezember 2017
 

Strafanzeige gegen EU-Behörden nach Glyphosat-Zulassung

Absprachen, Einflussnahme und Copy-Paste statt unabhängiger Bewertung

Brüssel - 05. Oktober 2017
 

Plagiatsvorwurf gegen Glyphosat-Bericht des BfR durch Gutachten bestätigt

Sachverständiger erkennt "wissenschaftliches Fehlverhalten" und "bewusste Täuschung"

 
Wien - 10. Mai 2017
 

Dritte Piste: Neue Website kontert Flughafen-Kampagne

"System Change, not Climate Change!" widerlegt Flughafen-Propaganda für die dritte Piste mit eigener Website und belegten Fakten.

Wien - 01. Januar 2017
 

Eine EU der Menschen

Die Europäische Union entfernt sich zunehmend von denen, für die sie geschaffen wurde

Berlin/Wien - 29. November 2016
 

TiSA-Abkommen bedroht europäischen Datenschutz

Kritische Infrastruktur wie Atomkraftwerke würden unsicherer werden

 
Brüssel/Wien - 21. November 2016
 

Skandalöser Maulkorb für CETA-kritische EU-Abgeordnete

Ehrliche Debatte über Handelsabkommen im EU-Parlament darf nicht abgewürgt werden

Innsbruck - 03. November 2016
 

WWF: Hände weg vom Naturschutzfonds

60 Prozent weniger Mittel für den Naturschutz

Wien - 06. September 2016
 

OGM-Umfrage für Greenpeace zu CETA und TTIP

Deutliche Ablehnung von CETA und TTIP

 
Wien - 20. Juli 2016
 

EU präsentiert nationale Klimaziele für 2030

Greenpeace fordert Bundesregierung auf, Klimavorgaben für Österreich umzusetzen

Wien - 20. Juli 2016
 

Ärztekammer warnt: Den Kassen gehen die Ärzte aus

Kassenstellen für junge Mediziner nicht mehr attraktiv - Zahl der Wahlärzte wächst

Wien - 10. Juni 2016
 

Schoko-Check zum Tag gegen Kinderarbeit

Noch immer arbeiten über zwei Millionen Kinder für unsere Schokolade in Westafrika

 
1 .... 3    4    5    6

© 2024 by Themenkreis und der jeweiligen Aussender. Alle Rechte vorbehalten.

  RSS-Feed     Impressum & Disclaimer