26. Okt. 2023
	
	
	
	
	
	Jena - Als eine der ersten Kliniken bundesweit richtete das Universitätsklinikum Jena  (UKJ) eine interdisziplinäre Ambulanz für Post-COVID ein. Es meldeten sich viele  Patientinnen und Patienten, die zwar von der Infektion mit SARS-CoV2 genesen  waren, sich aber noch gar nicht gesund fühlten. Ein Großteil der Betroffenen  kann nur eingeschränkt oder gar nicht mehr berufstätig sein. Weil über die  Hälfte auch über Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen klagten, ist das  Gedächtniszentrum des UKJ von Beginn an in die Betreuung einbezogen.
	
	Das multidisziplinäre Team des Zentrums kommt aus den Bereichen Neurologie,  Psychiatrie, Neuropsychologie, Ergotherapie und Sozialarbeit und verfügt über  ein umfassendes Instrumentarium für die Diagnostik. So lassen sich mit  neurokognitiven Tests verschiedene Aspekte der kognitiven Leistungsfähigkeit,  wie Gedächtnis, sprachliche Leistungen, die Verarbeitungsgeschwindigkeit oder  die Fähigkeit zu priorisieren, objektiv erfassen. „Daraus ergeben sich Muster,  die typisch sind für verschiedene neurologische Erkrankungen“, erklärt Prof. Dr.  Kathrin Finke, die psychologische Leiterin des Zentrums. „An diesen Signaturen  können wir z.B. zur Abgrenzung unterschiedlicher beginnender Demenzen von  Depressionen beitragen oder verschiedene Syndrome nach Schlaganfällen  klassifizieren. Uns interessierte natürlich, ob auch Long COVID ein typisches  Defizitprofil hat.“
Objektiver Nachweis für mentale Fatigue
Deshalb untersuchte das Team die kognitive Leistungsfähigkeit von 40  Post-COVID-Patientinnen und Patienten mit subjektiv anhaltenden kognitiven  Defiziten nach COVID-Infektion. Es verglich die Ergebnisse mit denen von 40  gesunden Kontrollpersonen von entsprechendem Alter, Geschlecht und Bildungsgrad.  Alle Teilnehmenden durchliefen unter Laborbedingungen einen computerbasierten  Test, bei dem sie kurzzeitig präsentierte Buchstaben erfassen und benennen  sollten. So können verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen mit großer Genauigkeit  bestimmt werden. “Dabei stellten wir fest, dass die Post-COVID-Patientinnen und  –Patienten visuelle Informationen deutlich langsamer verarbeiten als Gesunde.  Diese Geschwindigkeit ist ein gutes Maß für ihre geistige Wachheit und  Reaktionsfähigkeit“, so die Neuropsychologin Eva Maria Martin.
Um zu messen, wie schnell die Probanden und Probandinnen ermüden, nutzte das  Studienteam eine spezielle Brille mit integrierter Infrarotkamera im Schlaflabor  der Klinik für Neurologie. Diese kann die Pupillenunruhe erfassen, einen  Biomarker für die allgemeine Gehirnaktivierung. Zudem schätzten die  Teilnehmenden ihre mentale Erschöpfung mit Hilfe eines Fragebogens ein. Im  Ergebnis konnte das Studienteam einen deutlichen Zusammenhang zwischen der  gemessenen Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Pupillenunruhe und der subjektiv  empfundenen Erschöpfung feststellen. Eva Maria Martin: „Die Post-COVID-Gruppe  hat im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Verarbeitungsgeschwindigkeit  und ermüdet schneller. Damit können wir die von den Betroffenen berichtete  mentale Fatigue objektiv nachweisen.“
Standardtests bestätigen die kognitiven Defizite
In Fortführung der Studie untersuchte das Team, ob sich dieser Befund mit  neuropsychologischen Tests bestätigen lässt, die wesentlich breiter angewandt  werden und für die keine speziellen Labore notwendig sind. Außerdem  interessierte die Forschenden, ob sich die gefundenen Defizite mit der Zeit  verändern. Dazu wiederholten sie die Untersuchungen nach einem Zeitraum von  sechs Monaten. Das Ergebnis: Auch in den klinisch etablierten Standardtests  zeigten sich Defizite in der Post-COVID-Gruppe immer dann, wenn es um eine  schnelle Informationsverarbeitung und eine schnelle Reaktion ging. Diese  Verlangsamung bestand unverändert über sechs Monate fort.
„Wir sehen darin den Beleg für eine chronisch geminderte Hirnaktivität bei  Long-COVID, die sich vor allem in einer verlangsamten Informationsverarbeitung  äußert. Dieses relativ stabile Profil ist charakteristisch für die  neurokognitiven Symptome bei Post-COVID und sicher auch für Langzeitfolgen nach  anderen Infektionen“, betont Kathrin Finke. Damit ist die verlangsamte  Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nicht nur ein wichtiges Kriterium für  die Objektivierung der kognitiven Defizite im Rahmen dieses Krankheitsbildes.  Sie könnte sich auch als Maß eignen, um die Wirksamkeit von Therapieansätzen zu  beurteilen.
Auch an geeigneten neuropsychologischen Trainings für Post-COVID forscht das  Jenaer Gedächtniszentrum. Einige Ergebnisse wird Kathrin Finke im Rahmen des 2.  Long COVID Kongresses vorstellen, der am 24. und 25. November in Jena  stattfindet. Im Mittelpunkt stehen neue Forschungsergebnisse und die Möglichkeit  der Teilhabe der Betroffenen in den beruflichen und sozialen Lebenswelten.
	
	
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