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23. Mai 2019
Zulassungswelle risikobehafteter Gentechnik-Pflanzen noch vor Amtsantritt der neuen EU-Kommission möglich
Auch nach der EU-Wahl kann die bisherige EU-Kommission bis zu ihrer Ablöse noch strittige Zulassungen für den Anbau und den Import von GV-Pflanzen erteilen
Wien/München/Berlin/Brüssel - GLOBAL 2000 hat heute gemeinsam mit über 40 Organisationen und Netzwerken aus den Bereichen Wissenschaft, Umweltschutz, Lebensmittelproduktion, Landwirtschaft einen gemeinsamen Brief an Noch-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis und die potentiellen neuen Kandidaten für die EU-Kommissionsspitze veröffentlicht. Die Unterzeichnenden warnen davor, dass die derzeitige EU-Kommission, noch vor dem Herbst rund ein Dutzend Zulassungen für Gentechnik-Pflanzen erteilen könnte, obwohl deren Risikobewertung wissenschaftlich unzureichend ist.
Heidemarie Porstner, Gentechniksprecherin der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 fasst die wichtigsten gemeinsamen Forderungen zusammen: „Es braucht auf EU-Ebene dringend höhere Standards in der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen. Der Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit sollte längst höchste Priorität genießen. Wir ersuchen den aktuellen Gesundheitskommissar Andriukaitis, daher dringend, von Gentechnikzulassungen in letzter Minute abzusehen.“ Der Schutz der Umwelt und der Gesundheit ist in der EU-Gentechnikrichtlinie verankert.
Zahlreiche Futtermittel-Importe und drei Gentechnik-Maispflanzen für den Anbau in der EU vorgesehen
Zur Zulassung angemeldet und von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) bereits geprüft sind derzeit mindestens zwölf Anträge. Drei Gentechnik-Mais-Varianten, die Insektengifte produzieren, sind für den Anbau vorgesehen. Darunter ist auch der in Spanien bereits angebaute Mais MON810 (Bayer/ Monsanto), dessen Zulassung verlängert werden soll. Es droht die unkontrollierte Ausbreitung dieser Gentechnik-Pflanzen: Seit einigen Jahren ist eine mit dem Mais verwandte Wildpflanzen (Teosinte) in Spanien heimisch. Teosinte kann mit dem GV-Mais hybridisieren und Nachkommen mit unerwarteten Eigenschaften und Risiken für die Umwelt hervorbringen. Der MON810 ist bis dato die einzige in der EU zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze.
Mehrfach Herbizidresistente Pflanzen
Viele der Pflanzen sind mehrfach gentechnisch verändert. Darunter sind Mais-Varianten, die bis zu sechs Insektengifte produzieren und gleich mit mehreren Herbiziden gespritzt werden können. Die Wechselwirkungen der verschiedenen Giftstoffe und deren Folgen für die Lebensmittelsicherheit wurden nicht untersucht.
Eingriff in Genregulation und Zellstoffwechsel der Insekten
Eine der für den Import vorgesehenen Maispflanzen ist zusätzlich mit neuartigen Risiken verbunden: Der Mais MON 87411 produziert eine sogenannte doppelsträngige RNA (dsRNA). Die biologisch wirksamen Moleküle werden von den Insekten beim Verzehr der Pflanzen über den Darm aufgenommen und können dann in Genregulation und Zellstoffwechsel eingreifen. Dadurch sollen Insekten, die von den Pflanzen fressen, getötet werden. Die Sicherheit der Maispflanzen in Bezug auf Mensch und Umwelt lässt sich nicht verlässlich abschätzen, weil die damit zusammenhängenden biologischen Mechanismen sehr komplex sind.
Trotz Mängeln in der Risikobewertung – Zulassungen noch in der verbleibenden Amtszeit der EU-Kommission möglich
Schon jetzt sind fast 70 Gentechnik-Pflanzen für den Import und die Verwendung in Lebens- und Futtermitteln zugelassen. Über die Kombinations- und Langzeitwirkung des Verzehrs einer Mixtur dieser Pflanzen gibt es keine Untersuchungen. Das EU-Parlament hat sich in den letzten Jahren mehrfach gegen weitere Zulassungen ausgesprochen, ohne dass dies von der EU-Kommission berücksichtigt worden wäre.
Heidemarie Porstner abschließend: „Das EU-Parlament war hier sehr viel umsichtiger in seinen Einschätzungen. Eigentlich sollte gerade in solchen Fällen mit so vielen offenen Fragen und Hinweisen auf potentielle Risiken klar sein, dass hier das Vorsorgeprinzip angewendet wird, anstatt solche GV-Pflanzen zuzulassen.“
Die bisherige EU-Kommission könnte diese risikobehafteten Pflanzen trotzt lückenhafter Risikobewertung noch vor Ende ihrer Amtszeit zulassen.
Der Brief ist hier beigefügt, er wurde unter Anderem von herausgegeben von: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Corporate Europe Observatory (CEO), European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER), Friends of the Earth Europe (FOEE), Gen-ethisches Netzwerk (GeN), GeneWatch UK, GLOBAL 2000 (Österreich), Save our Seeds (SOS), Slow Food Deutschland, Testbiotech (Deutschland).
Download: 2019-offener-Brief-Gentechnik.pdf
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